Klänge sehen - Farben hören
Pilsen, Städtische Galerie, Màzhaus, 3. Februar - 7. April 2011
„Klänge sehen – Farben hören“ ist sowohl der Titel der Ausstellung von Gisela Denninghoff als auch der Performance mit Hans-Michael Schuhmann zur Eröffnungsfeier. Die Ausstellung zeigt aktuelle Arbeiten aus einem Prozess, in dem die Begegnung von Malerei und Gesang den Kern der künstlerischen Entwicklung bildet. Seit 2006 entwickeln Gisela Denninghoff (Malerin) und Hans – Michael Schuhmann (Sänger) ihr Konzept weiter. Heute reift jedes Bild in freier Improvisation, in der sich Gesang und Malerei begegnen. Die Pole Individuum und Gemeinschaft erfahren dabei von Bild zu Bild eine neue Gewichtung. In der Performance werden die beiden Künstler jenseits aller Sprachbarrieren singend, malend, tanzend in “nonverbaler Kommunikation“, vor den Augen des Publikums ein neues Gemälde entstehen lassen.
Die Grundlage dieses Prozesses bildet die künstlerische Ausbildung der in Magdeburg geborenen Künstlerin Gisela Denninghoff. In den 60er Jahren studierte sie bei Prof. Gerhard Fietz (Gruppe Zen 49) an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Das aktive Aneignen einer klassischen Bildvorstellung, um sie sodann wieder zu verlassen und eine freie Gestaltung zu entwickeln, war der erste und vielleicht folgenreichste Schritt dieser Ausbildung. Er hatte zur Konsequenz, die Malerei fortan als eine Suchbewegung zu betreiben, in der das Verhältnis von Körper und Geist (Seele) ausgelotet wird. Im Fortgang dieser Suche wanderte die Leinwand von der Staffelei auf den Boden und wurde zur Membran. Die Farbe, häufig nur noch gestreut, gespritzt, geweht, fand ihren Weg an ihren Ort fast unabhängig von einem konkreten künstlerischen Wollen. Es entstanden Bilder, von denen Gisela Denninghoff sagte: „Ich berge die Bilder“. Sie war von der Macherin zu einer feinsinnigen Beobachterin geworden, deren künstlerische Mittel es ermöglichten, ein „Bild“, d.h. eine Gestalt vom „Jetzt“ zu bergen. Ein Jetzt, das ganz aus dem subjekthaften Hier-sein entstanden ist, ohne sich im Subjektiven zu begrenzen.
Nicht ein besinnungsloses Ausagieren der malerischen Geste war und ist bei dieser Suche die Richtschnur. Vielmehr bot immer die Verpflichtung auf die Gestaltwerdung als Bild dem Freiwerden Rahmen und Maß. In der Begegnung mit dem Gesang von Hans-Michael Schuhmann hat diese Richtschnur eine weitere Dimension hinzugewonnen. Heute reift jedes Bild in einer freien Improvisation, in der sich Gesang und Malerei begegnen. Der Begegnung, d.h. auch der Kommunikation in ihrem Werk eine zentrale Rolle zu zuweisen bereitet sich schon früh vor. Jenseits ihrer rein künstlerischen Arbeit war Denninghoff in den 70er Jahren Mitglied einer Forschungsgruppe zur nonverbalen Kommunikation (FAU- Modellversuch Hessen). Fast 30 Jahr künstlerischer und persönlicher Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Begrenzungen der menschlichen Kommunikation lagen hinter der Malerin, als sie 2006 begann mit dem Sänger Hans-Michael Schuhmann in regelmäßigen Treffen experimentell zu erproben, wie sich Malerei und Gesang durchdringen, wie ein Prozess entsteht, in dem die Malerei auf den Gesang reagiert und der Gesang auf die Malerei. Mit Hans-Michael Schuhmann fand sie einen Partner, der in seiner Instrumental- (Posaune, Perkussion) und Gesangsausbildung (Lichtenberger-Institut) einen verwandten Weg von der geschlossenen zur offenen Form gegangen war, der die Improvisation als Möglichkeit begreift, die kommunikativen Potentiale des Gesangs jenseits begrifflicher Vorbestimmung zu erkunden. Unter der Vorgabe keine Übersetzung vom Gesang in Malerei zu entwickeln, fanden die Künstler gemeinsam eine Struktur, die die Kommunikation eröffnet und vorantreibt. Jede Improvisation beginnt mit dem Schatten, der vom Sänger auf die Leinwand fällt. Er ist sichtbar, für die Malerin ergreifbar und zugleich flüchtig wie der Klang der Stimme.
Aus dieser Situation entsteht jedes Mal aufs Neue, ganz allmählich ein Sich-berühren von Malerei und Gesang, das von Abgrenzung, Nähe, Überschreiten, Durchdringen, von lichthaftem Verschmelzen und dunklem Untergehen berichtet. Waren die Bilder zu nächst immer leichter geworden, wurde die Farbe im Gang dieser Entwicklung zu einer auf der Leinwand schwebenden „geistigen“ Substanz, so gewinnt sie in den neueren Arbeit wieder an Dichte und Körperhaftigkeit. Es scheint fast so als wüchse der Flüchtigkeit, die diesem Prozess innewohnt, in den neueren Bildern zunehmen Substanz zu. Es wird spannend sein, weiter zu beobachten, wie das der Flüchtigkeit geschuldete serielle Arbeiten sich verändert, wenn die Bilder aus einem „Jetzt“ in ein „Immer da“ hinüber wandern. In der Ausstellung wird ein Teil dieser Entwicklung für die Betrachter in den Serien nachvollziehbar, mit der Performance gewähren uns die beiden Künstler die Teilhabe an diesem Prozess zu erleben. Vor den Augen des Publikums entsteht ein neues Gemälde.
Susanne Ließegang